Franz und Franziska Bauer

Franziska Bauer wurde 1947 geboren und ist gelernte Kauffrau, Franz Bauer wurde 1944 geboren und ist Elektromeister. Franziska Bauer ist Geschäftsführerin und Franz Bauer Beiratsvorsitzender bei Bauer Elektroanlagen, dem größten Arbeitgeber in Buchbach.

 

Tonaufnahmen Buchbach, 25. August 2016, 9 – 11 Uhr

Herr Bauer, was ist Ihre erste Erinnerung an Buchbach?

Franz Bauer: Die erste tiefgreifende Erinnerung sind sicher die Besatzungsmächte, die Amerikaner, die am Ort waren. Wir sind als 3- und 5-jährige Kinder schon den Jeeps hinterhergelaufen. Beim Kaufhaus Rambold, da habe ich meine ersten Kekse bekommen, die waren in olivfarbenen Dosen: Biscuits und Butterscotch!

 

Und Ihre Eltern, kamen die ebenfalls aus Buchbach?

Mein Vater ist ein gebürtiger Münchner und meine Mutter ist in Velden an der Vils geboren. Der Vater kam früh schon als Kind hierher. Er war Kostkind bei der Firma Vitzthum, seine Mutter, die alleinerziehende Köchin in München war, hatte ihr Kind sehr früh nach Buchbach gegeben. Meine Mutter kam ebenfalls sehr früh nach Buchbach, zur Firma Moser, die damalige Eisenhandlung, und danach zum Herrn Graf. Dort haben sich die beiden getroffen.

 

Wie kann man sich das Zuhause bei Ihnen während der Nachkriegszeit vorstellen?

Ich erinnere mich an das  Krenweiberl, das  einmal im Jahr kam. Bei ihr wurden die gesamten Gewürze eingekauft, und dann ist fast alles selber produziert worden. ... freitags gab es immer Fisch, meistens Gelee-Hering, das weiß ich heute noch. Oder Kartoffeln und Brathering. ... Unter der Woche gab es manchmal Fleisch, aber nicht dauernd, und sehr viele Mehlspeisen: Dampfnudeln, Rohrnudeln, Semmelnudeln ...

 

Meine Mutter hat sehr gut gekocht. Ich erinnere mich auch an den Herd, er wurde mit Holz befeuert. Das waren sehr schöne Zeiten. An Weihnachten, wo man heute nicht mehr so vieles selbst macht, hat sie gebacken. Wir vier waren alle eingespannt: die Mutter hat den Teig gemacht, der Vater gab die Plätzchen in den Ofen und wir Kinder, meine Schwester Rosemarie und ich, haben dann die Plätzchen vom Blech geschert und aufgeschichtet. (lacht)

Weihnachten bei Familie Bauer in den 1960er Jahren. Das schwarze Instrument an der Wand über dem Vater ist ein Voltmeter, mit dem Bauers auch am Tag sehen konnten, ob Spannung vorhanden war. Dies war in den ersten Jahren ja nicht immer der Fall.

Es gab noch nicht sehr viele  Autos damals, vielleicht drei oder vier Autobesitzer, an die ich mich als Junge erinnere. ... Der meiste Verkehr war mit dem Fahrrad.

Der Herr Graf hatte einen alten Opel P4. Mit dem durfte ich mit nach Mühldorf fahren. Damals war die Isentalstraße noch nicht geteert. Man fuhr eine gute Stunde. War man in Mühldorf, war erst einmal Staubklopfen (klopft  mit beiden Händen von oben nach unten auf seinen Anzug, lacht), alles war voller Staub.

 

Das Schönste in Mühldorf: Unter den Bögen [am Stadtplatz] war eine kleine Wurstküche und dort gab es fast immer, wenn ich nach Mühldorf gekommen bin, Wiener Würstl. Das war schon ein Highlight!

 

Ihr Vater war Gemeinderatsmitglied, auch Zweiter Bürgermeister. Hat er zuhause etwas über seine Gemeindetätigkeit berichtet?

Franz Bauer: Der Altbürgermeister, Herr Straßer, war gesundheitlich schwer angeschlagen. So musste mein Vater dann öfters einspringen und ihn vertreten. Einmal kam Buchbach aus der Oberpfalz hierher zu Besuch. Damals war mein Vater mehr oder weniger der Chef. Da war ein riesiger Empfang, mit Blaskapelle und mit dem  Herrn [Polizeiobermeister Franz] Platz als Dirigenten, ein Buchbacher, er kam später nach Mühldorf.

((O-Ton 8'32'' – 9'21''))

Die schönste Begebenheit, von der mein Vater erzählt hat, waren einmal die Wahlen zum Gemeinderat in der alten Kanzlei, dort, wo jetzt das Rathaus steht. Links die Felizenzeller, rechts die Buchbacher. Da hat man die Stimmen ausgezählt, alles mit Hand, es hat recht lange gedauert. Irgendjemand hatte einen Pack Stimmzettel aufs Fensterbrett gelegt. Als es Nacht wurde, hat man die Vorhänge zugezogen. Man hat also gezählt und gezählt, aber auf einmal gehen jede Menge Stimmen ab. ... Die ganze Nacht waren sie zugange. Als sie in der Früh dann die Vorhänge aufgezogen haben, haben sie den Pack Stimmzettel entdeckt und die Wahl war gerettet. (lacht) Das hat mein Vater immer wieder erzählt.

Mehr als 900 Einwohner hatte der Markt Buchbach vor der Gebietsreform  sicher nicht. Damals gab es noch keine einzige Siedlung, das kam erst Anfang der [19]70er Jahre.

 

Ihr Vater hatte auch schon früh ein Auto?

Franz Bauer: Wir waren ein guter Opel-Kunde. Erst einen Olympia, einen Rekord und einen Kapitän, das größte war dann der Admiral, den durfte ich dann schon fahren. Wir waren immer Opel-Kunde. Und der Opel Scheidl in Mühldorf, das war unser erster größerer Elektroinstallations-Kunde, wo wir dann ein Gegengeschäft gemacht haben.

Der Opel Admiral

Und was fahren Sie heute?

Franz Bauer: Einen Tesla, ich fahr’ elektrisch. Schon drei Jahre lang, ohne Probleme.

 

Getankt haben wir vor dem Zweiten Weltkrieg bei unser eigenen  Esso-Tankstelle, vor der sehr schönen Werkstatt. Herr Graf war [1932] vom oberen Markt auf den Marktplatz gezogen. Gleich links neben dem neuen Haus war die Werkstatt mit dem Einfahrtstor. Dort haben auch die Amerikaner ihre Fahrzeuge gerichtet, selbst mit den Panzern sind sie da reingefahren. Dort gab es  eine Abschmiergrube, wo sie ihre Abschmierarbeiten gemacht haben. Sonst gab es weiter keine Werkstatt in Buchbach, wo sie diese Arbeiten verrichten konnten.

Gab es zuhause Radio, Telefon, Fernsehapparat?

Franz Bauer: Telefon war da, schwarz mit Wählscheibe, man musste ewig drehen. Es war, soviel ich weiß, nach dem Krieg schon da. Auch ein Radio der Marke Braun mit Plattenspieler stand in der Küche.

 

Der Fernseher kam relativ spät. Die ersten Fernsehgeräte hatte der Herr [Theo] de Witt, ein Versicherungsagent. Dort haben wir 1954 die Weltmeisterschaft verfolgt, in einem Zimmer mit 4 x 4 Quadratmetern, ungefähr 50 Leute. Die meisten haben vom Fenster reingeschaut, ich auch. Nachdem ich wenig gesehen habe, bin ich in der Halbzeit vom Endspiel nach Hause, und habe auf unserem Braunradio die zweite Halbzeit verfolgt. Mit [Radioreporter Herbert] Zimmermann, das war wirklich original. (lacht)

 

Wir haben, glaube ich, 1958 den ersten Fernseher bekommen. Das war ein Philips, mit einer 40-Zentimeter-Bildröhre, maximal.

 

Gibt es Erinnerungen an die Freizeit?

Sportlich gab es an erster Stelle natürlich den Fußball, es gab weder Tennis noch andere Sportarten.

((O-Ton 13'58'' – 14'36''))

Wir waren aber auch sehr viel im Wald unterwegs. Es hat regelrechte Bandenkriege gegeben, die Greimel-Bande, die Weidner-Bande. Manchmal waren 30 – 40 Buben unterwegs. Die größte Schlacht war einmal bei Kindlbuch, jeder Bub kam mit fast einem Baum daher. Es hat natürlich einige Blessuren gegeben, aber nach ein paar Tagen war alles wieder vergessen. Das waren regelrechte Schlachten.

Beim Weidner waren es recht große Burschen, die eine Schar um sich gesammelt hatten. Und genauso beim Greimel Heinz, bei dem ich in der Gruppe war. Jeder hat versucht, sich mit seiner Gefolgschaft zu behaupten.

 

Franziska Bauer: Aber um was habt ihr denn gekämpft?

 

Franz Bauer: Es ging um die Vorherrschaft in Buchbach, die wurde ausgerungen (lacht). Es war besser, wenn man in einer Gruppe unterwegs war. Ich war meistens der Kleinste, die anderen waren drei oder vier Jahre älter, und ich war der Nachläufer.

 

Im Bräuwald oben [hinter Kindlbuch] haben wir eine Tarzan-Burg gebaut. Dort sind wunderschöne Eichen gestanden, leider sind sie heute nicht mehr da. Wir hatten am Waldrand ein richtig schönes Baumhaus, mit Lianen, die wir hochziehen konnten, so dass kein anderer rauf kam. Das haben wir fest verteidigt. So waren unsere Spiele.

 

Das waren wirklich schöne Augenblicke, wir hatten die Burg richtig ausgebaut. Jeden Tag war’s gleich: heim von der Schule, den Schulranzen hinter gestellt und weg. Meine Hausaufgaben hab ich immer erst am nächsten Tag vor der Schule gemacht. Ich kann mich nicht mehr erinnern, dass ich irgendwann nachmittags Hausaufgaben gemacht hätte.

Die Eltern waren viel beschäftigt. Am Wochenende sind wir, wenn es die Zeit erlaubt hat, auch in den Bräuwald hoch gegangen, mit Decke und dem Grammolo, so nannten wir Kinder unser Koffer-Grammophon. Dort haben wir Musik gehört, [von den deutschen Schlagersängern] Rudi Schuricke oder René Carol, all die alten Lieder, auch der Freddy [Quinn] war damals, glaube ich, schon aktiv. Ich habe die ganzen Schallplatten noch hier. Das waren schöne Nachmittage. Die gab es aber nicht so oft, denn meistens waren meine Eltern auch am Wochenende im Büro und haben gearbeitet.

 

Ab und zu sind wir auch mit dem Auto weggefahren. Die weiteste Reise ging an den Bodensee, nach Lindau. Das waren über 300 Kilometer, wir waren den ganzen Tag unterwegs, an einem Tag hin und zurück, denn mein Vater wollte abends immer zuhause sein.

 

Einmal waren wir in Italien, da war mein Vater  sehr unruhig. Drei Tage Italien, das war für ihn der Horror (lacht). Er war einfach gern zuhause.

 

Ab und zu Berchtesgaden, Reichenhall, in diese Region. Diese Woche erst war ein Bericht über das Kehlsteinhaus im Fernsehen, da waren wir auch. Im Fernsehen hab ich genau den Stein gesehen, den ich damals schon fotografiert habe, mit meinen Eltern oben. – Wir waren auch öfters im Bayerischen Wald und an der Donau.

 

Und jetzt kommt eine ganz besondere Geschichte: Herr Kaspar Graf hat Sie als Erben eingesetzt. Wie kam das?

Ich war damals der  einzige Bub  im Haus. Meine Schwester Rosemarie ist drei Jahre jünger.

 

Als die Amerikaner da waren, hatten sie einen Teil des Hauses besetzt. Herr Graf durfte vorne [im Haupthaus] schlafen. Mein Vater, meine Mutter und wir zwei Kinder waren oberhalb der [Graf’schen] Werkstatt in einem Zimmer untergebracht, 5 x 6 Quadratmeter. Da haben wir geschlafen und gewohnt: Doppelbett für meine Eltern und zwei Kinderbetten für meine Schwester und mich. Wir konnten über eine separate Treppe hinaufgehen, das war unser Reich, mit Vorraum und einem Regal, sowie einem kleinen  Werkstattbereich. Wir sind erst nach dem Tod von Herrn Graf  vor ins Haupthaus gezogen .

Als die Amerikaner abgezogen sind, sind Flüchtlinge reingekommen, eine Frau Brückner, eine Frau [Sieglinde] Hafner, die spätere Frau Zierl [später eine langjährige Mitarbeiterin in der Gemeindeverwaltung Buchbach].

((O-Ton 21'23'' – 21'53''))

Ich weiß noch: Weihnachten war immer die schönste Zeit. Mein Vater war ja sehr viel unterwegs, hat meistens kein Entgelt für die Reparaturen, sondern Naturalien bekommen. Im Vorraum hatten wir viele Lampenhaken [an der Decke], dort sind dann die Würste oben gehangen, für uns unerreichbar, aber der Duft! Das war die schönste Zeit, wenn man raufgekommen ist und es so geduftet hat.

Und alles gleich vor dem Schlafzimmer.

 

Abends als Schulkind, das weiß ich auch noch gut, wenn mein Vater oft bis spät unterwegs war und spät abends erst heimgekommen ist, da hat man im Schlafbereich auf einem Tisch mit einem Elektrokocher ab und zu Spiegeleier in der Nacht gebraten, um zehn Uhr, elf Uhr. Das war für uns Kinder natürlich der höchste Genuss.

Franziska Bauer: Nach dem Krieg hat es wenig gegeben, da waren das schon Besonderheiten.

((O-Ton 22'39'' – 23'40''))

Ich fand immer die Lebensgemeinschaft so etwas Besonderes. Mein Schwiegervater und die Schwiegermutter waren ja in Diensten bei Herrn Kaspar Graf und die Familie war aufgenommen im Haus. Die Kinder sind auch dort aufgewachsen. Hier hat der Herr Graf die Vorliebe zum Franz gefunden. Und dadurch ist er dann eben sehr früh als Erbe eingesetzt worden.

 

Franz Bauer: Obwohl ich ihn sehr viel geärgert hab. Der Herr Graf  war ein bisschen beleibt. Im Haus hatten wir dortmals Kippschalter. Ich hatte eine Armbrust, schon mit Gummistöpsel, und habe immer auf die Kippschalter gezielt. Ab und zu ist dann halt so ein Kippschalter abgebrochen und man konnte nicht mehr schalten. Das haben wir x-mal gemacht. Er ist mir nach mit seinem Stock, aber er hat mich nie erwischt.

Einmal waren Freunde da, der T* und der G*, und wir haben ihn auch wieder geärgert. Er uns nach, vom Erdgeschoss rauf in den ersten Stock, dort gab es eine ganz kleine Toilette. Wir sind zur Tür rein und zum Fenster, das war ganz schmal und hoch, wieder raus auf den Balkon und hinten rum wieder über die Balkontür rein. Herr Graf ist mir nach, in die Toilette, ich raus zum Fenster. Und bis er sich umgedreht hatte, war ich hinter ihm schon wieder weg. (lacht)

 

Franziska Bauer: Dieses Talent hat er heute immer noch. Er findet immer etwas für einen Spaß, so dass man lachen kann.

 

Wie muss man sich denn das Geschäft von Herrn Graf vorstellen, zu der Zeit als Ihr Vater dort angestellt war? Was genau hat Ihr Vater gemacht?

Herr Graf war Schlossermeister. Mein Vater war für die Elektroarbeiten zuständig. Man hat Kleinreparaturen gemacht – Sicherungen ausgewechselt oder Glühlampen, Kleininstallationen. Das waren lauter alte Objekte, Neubauten gab es damals ja keine. Nach dem Krieg war das hauptsächliche Problem die Energieversorgung. Die lag überall am Boden, nur schlechtes Leitungsmaterial, die meisten Isolatoren waren aus Glas, es hat laufend Störungen gegeben. So war mein Vater fast immer  unterwegs, sehr viel in der Landwirtschaft, weil gerade da die meisten Störungen waren.

 

Franziska Bauer: Was vielleicht auch interessant ist: Der Herr Graf hatte schon immer diese Zukunftsvisionen, ob es um Autos ging oder anderes, was man noch heute als innovativ bezeichnen würde. Die Stromversorgung [in Buchbach] hatte er mit eigenen Geldmitteln aufgebaut. Er war zwar auf der Suche nach weiteren[Interessenten] – das weiß ich auch von meinem Vater und von meinem Großvater, bei dem war er auch. Aber damals ging das alles nicht so schnell. Da war man zögerlich. So hat er nicht mehr Geld zusammengebracht, und so hat er nur rund um Buchbach die Stromversorgung aufbauen können, aus eigenen Mitteln. Damals waren die Leute einfach nicht bereit, für so etwas Geld zu geben.

Kaspar Graf

Franz Bauer: Er war Schwabe, ein recht gemütlicher Mann. Er war viel in der Öffentlichkeit, war jeden Tag in einer anderen Wirtschaft ... Dadurch war er  sehr bekannt und hat viele Freunde gewonnen.

 

Franziska Bauer: Man ist damals jeden Tag in die Wirtschaft, hat dort über Politik, über Geschäftliches gesprochen. ... Es gab ja keinen Fernseher oder sonstige Unterhaltungsmöglichkeiten. So war das Leben eigentlich wesentlich wertvoller, ruhiger. Die Frauen waren damals noch zuhause, hatten den Haushalt zu führen. Politisches und anderes [Geschäftliches] war immer Männersache. Die Frauen konnten zwar, so denk ich das, die Männer animieren zu etwas. Aber der Mann ist vorne gestanden (lacht). Teilweise ist es ja heute auch noch so.

 

Franz Bauer: Die Männer hatten jeden Tag „Gschoischaftstag“, so sagt man auf bayrisch. Sie waren jeden Tag in einem anderen Wirtshaus, beim Kartenspielen, beim Unterhalten und natürlich beim Trinken und Rauchen. Wir hatten neun  Wirtschaften in den [19]50er Jahren: beim Falken, vis-à-vis beim Leiderer, beim Hampl,  im  ehemaligen Sailstorfer-Haus, in der Post, beim Thalmeier, beim Greimel – das war mehr ein Café – und  zwei  Wirtschaften  in Steeg, beim Rampl und beim Bürger.

 

Franziska Bauer: Und alle hatten [ausreichend] zu leben, obwohl damals doch weniger Leute in Buchbach gelebt haben als heut.

 

Franz Bauer: Die Männer sind öfters  sehr spät heim gegangen . Da hat die Mutter einmal recht geschimpft. Die Männer waren wieder unterwegs gewesen und hatten vermutlich zu  viel getrunken. Mein Vater  und der Herr H* sind dann beide gestolpert und haben sich den Kopf blutig geschlagen.

 

Woher kam denn Ihre Begeisterung für die Elektrotechnik?

Franz Bauer: Ich war als Knabe sehr viel mit meinem Vater unterwegs. Außen, wenn Freileitungen gebaut wurden, das war für mich immer das Schönste, an der Luft und in der Natur zu sein. Alles wurde noch in Handarbeit gemacht, mit der Schaufel die Löcher gegraben, stufenweise verfüllt und mit dem Stamper verdichtet Da war ich sehr viel unterwegs, das hat mir sehr viel Spaß gemacht.

 

Schon als Schulbub waren Sie mit Ihrem Vater unterwegs?

Franz Bauer: Jaja.

((O-Ton 30'50'' – 31'18''))

Franziska Bauer: Wir, als heranwachsende Kinder, waren ja immer eingebunden in die beruflichen Tätigkeiten der Eltern. Es war einfach so. In den Ferien hat man nicht schauen müssen, dass die Kinder eine Belustigung haben oder Sonstiges. Die Kinder waren da, sie sind mitgelaufen, haben leichte Arbeiten mitgemacht. Und so sind wir halt hineingewachsen, in das normale Leben. 

Das war schon wertvoll.

 

Franz Bauer: Wir hatten sehr viele Stromausfälle. Mein Vater war ja handwerklich sehr geschickt, er hat vieles selbst gemacht, auch die  Aggregate, die wir im Museum haben [sind von ihm].

Oftmals  ist am Sonntag der Strom weggewesen, meistens, wenn das Kino gelaufen ist. Damals war das Kino in der alten Turnhalle oben ...

 

Ich erinnere mich: ich bin noch zur Schule gegangen, da war wieder einmal am Sonntag der Strom weg. Die Eltern waren nicht da, ich war ganz alleine. In der Werkstatt wollte ich das Aggregat anwerfen, aber es ging nicht. Zum Glück war der Nachbar da, der es in Betrieb gebracht hat. Ich habe dann nach der Ursache gesucht, warum der Strom weg war. Mit dem Moped oder dem Fahrrad, das weiß ich nicht mehr genau, bin ich nach Solling, zur Übergabestation. Und da war eine 20 kV-Sicherung  defekt. Ich habe dann den Schalter gezogen, die Sicherung – das waren so Pertinax-Röhren – repariert, wieder eingeschaltet, und es ist wieder gegangen.

 

Hut ab!

Franz Bauer: Das war halt meine elektrische Erfahrung.

 

Wie hat denn der Herr Graf reagiert, als er merkte, dass Sie sich wirklich für die Elektrizität interessieren?

Franz Bauer: Damals gab es das wahrscheinlich noch gar nicht. Ich war ja erst acht Jahre alt, da ist er gestorben. Ich weiß den Tag noch genau. Ich war selbst krank, lag unten in der Küche auf der Ottomane. Der Herr Graf war nicht gekommen zum Frühstück. Auf einmal sagt die Mutter: „Wir müssen den Doktor holen. Der [Herr Graf] ist gar nicht gut beieinand.“ Am Nachmittag ist er dann verstorben. – Den ersten Tag konnte ich gar nicht raufgehen [zu ihm ins Schlafzimmer], ich hab das gar nicht begreifen können. Er bedeutete mir viel, mehr als  ein Opa. Wir waren beim Essen immer beieinander. Und dann war er auf einmal nicht mehr da. Den Tag habe ich heute noch vor Augen, das werde ich nie vergessen.

Dann war es für Sie eigentlich vorgegeben, dass Sie irgendwann in die Elektrobranche einsteigen, als Erbe des Graf’schen Geschäfts.

Franz Bauer: Nicht direkt. Ich habe zunächst acht Jahre Volksschule [heute würde man sagen: Grund- und Mittelschule] gemacht. Dann ist meinen Eltern eingefallen, dass ich auch eine höhere Schule besuchen könnte, da war ich schon in der 8. Klasse. Wir haben geschaut, wo so etwas gehen könnte. In Waldkraiburg hatte eine Realschule eröffnet, [aber] alles war schon besetzt. Das Gymnasium in Mühldorf ging auch nicht mehr. Irgendwie kam ich dann nach Wasserburg, hab die dreijährige Mittelschule als Internatsschüler dort gemacht und hab anschließend bei den Stadtwerken Mühldorf meine Lehre als Starkstrom-Elektriker begonnen. Da habe ich mich dann schon in diese Richtung begeben. Die Lehrzeit habe ich gut rumgebracht, das war eine schöne Zeit, ich habe viel gelernt.

 

Parallel zur Lehrzeit habe ich jeden Samstag einen Aufbaukurs bei der Fa. Wöhrle in München gemacht, da ich ja auf das Oskar-von-Miller-Polytechnikum in München gehen wollte. Die Aufnahmeprüfung zum Polytechnikum hatte ich gerade gemacht, aber – wie das Leben halt so spielt – hat mein Vater einen Herzinfarkt bekommen, er war 55 Jahre. Er war ein starker Raucher ... Und da bin ich nach bestandener Gesellenprüfung zuhause geblieben und nicht mehr weggekommen (lacht). Der nächste Schritt war dann die Meisterprüfung. Schon als Geselle fuhr ich mit meinem Onkel Schorsch, welcher bei uns arbeitete, aber in München wohnte, zum Vorbereitungskurs für die Meisterprüfung beim Benedikt Gruber – „Sieben Formeln genügen“ – ins Deutsche Museum nach München. Im Jahr 1967 habe ich dann als einer der jüngsten Meister die Prüfung bestanden.

((O-Ton 36'57'' – 37'42''))

Ich weiß noch gut, wie wir den ersten großen Auftrag in Mühldorf bekommen haben, da war mein Vater, mein Onkel, ich und ein Lehrbub, der G*, den hatten wir damals schon. Zu viert haben wir dort die [Betriebsgebäude und die] große [Werk}halle  installiert, mit technischen Mitteln, das kann man sich (lacht) heute gar nicht mehr vorstellen. Die Halter für die Trapezbleche, die haben wir alle selbst gebogen. – Es hat aber alles geklappt.

 

Und dann  sind schön langsam weitere Aufträge in  Mühldorf, Waldkraiburg und Erding bis München dazugekommen. Ich habe dann die Ingenieursleistung nicht mehr benötigt, als Elektromeister hatte ich das Kaufmännische eh schon in der Meisterprüfung gelernt.

Die technischen und kaufmännischen Voraussetzungen waren also gegeben, so habe ich keinen Wert mehr auf einen Titel gelegt.

 

Schon vor der Meisterprüfung habe ich dann meine spätere Frau kennengelernt. Da war dann alles andere zweitrangig.

Franziska Bauer: Natürlich sind eine gute Schulbildung und Ausbildung wichtig. Genauso wichtig ist es aber auch, dass sich die Menschen danach im Beruf entwickeln, egal welche Titel sie haben oder auch nicht. ... Es ist schon so, dass man heute mehr auf eine längere Schulbildung setzt, das machen wir auch so bei unseren Kindern und bei den Enkeln. Das war früher nicht ganz so wichtig. Gerade bei uns beiden, denke ich, war es wichtig, dass man sich im Leben engagiert. Sicher, da macht man auch mal Fehler, vielleicht haben wir früher mehr gemacht. Aber gut, dafür muss man einstehen, und dann auch wieder rauskommen. Das muss man schaffen und den nötigen Ehrgeiz dafür haben.

 

Haben Sie Erinnerungen an Ihre Lehrer?

Franz Bauer: Am Anfang waren es junge Lehrer, die haben immer wieder gewechselt, zum Beispiel die Frau [Brunhilde] Petlan. Ich erinnere mich gut an die Frau [Emma] Schmidinger, sie war sehr schlagkräftig. Sie hatte an der Hand einen Ring, der war sehr scharfkantig. Mit dem ist sie – (macht eine Bewegung an seiner Wange entlang). Wir hatten sie bis zur vierten Klasse. Danach kam der Rektor *, ..., den hatten wir in der fünften und sechsten Klasse.

 

Da waren wir noch herunten, dort, wo jetzt die Sparkasse ist. Im ersten Stock waren die fünfte und sechste Klasse gemeinsam. Vis-à-vis war der Hufschmied, da hatten wir jeden Tag in der Früh schon den Klang von Eisen im Ohr. Der Rektor war auch, wenn wir Buben es wieder zu arg trieben, von der schlagenden Sorte, aber er machte es mit dem Geigenbogen, so dass er fast jede Woche eine neue Bespannung für den Geigenbogen benötigt hat.

 

Franziska Bauer: Das waren wahrscheinlich Lausbuben. Das kenne ich auch, aber nicht so schlagkräftig. (beide lachen) Bei mir war das nicht mehr so.

 

Franz Bauer: Die siebte und achte Klasse war dann oben im Neubau in der Mauth. Da hatten wir dann den Hauptlehrer *. Er war sehr streng, da durfte man sich nicht viel erlauben.

 

Sie hatten offenbar überwiegend strenge Lehrer ...

Franziska Bauer: Damals hatten die Lehrer noch mehr Rechte. Und die Eltern waren froh darum.

 

Franz Bauer: Dort gab es ... einen Kanonenofen, der hat im Winter oft gestreikt. Dann durften wir einen Spaziergang machen. Das war immer das Schönste im Winter. (lacht)

Frau Bauer, kommen Sie denn auch aus Buchbach?

Franziska Bauer: Nein. Ich bin mit einem Bruder aufgewachsen in einem landwirtschaftlichen Anwesen, in Dötzkirchen bei Besenbuchbach, drei Kilometer weg. Meine Kinderzeit in diesem landwirtschaftlichen Anwesen war sehr prägend für mich. Wir sind aufgewachsen ... und durften schon etwas mitarbeiten. Aber für uns war das Freizeit, wir waren einfach immer dabei. – Wenn der Vater mit den Knechten zum Beispiel mit dem Schlitten in den  Wald gefahren ist – damals hat es ja noch mehr Schnee gehabt – durften wir unseren kleinen Schlitten hinten anhängen, an den großen mit den Pferden . Da ist dann waldgearbeitet worden. Das war schön. ... Wir waren dabei. Immer!

 

Erinnern kann ich mich auch an viele Feiern. Früher  ist eher der Namenstag gefeiert worden, weniger der Geburtstag. Mein Bruder hatte ja fast gleichzeitig Namenstag  als ich, [die Namenstage] Franziska und Josef sind ja recht nah beisammen. Da haben wir uns immer überlegt, wer wohl wie viele Schokoladentafeln bekommt. Wir hatten dann [gemeinsam] vielleicht fünf oder zehn, und die mussten dann das ganze Jahr über reichen, bis wieder Schokolad’ kam.

 

Es gab ja nicht vieles. Die Eigenversorgung im landwirtschaftlichen Anwesen war ohnehin gegeben. Und wenn man dann vom Metzger Wiener [Würstchen] bekommen hat, dann war das eine Besonderheit am Sonntagnachmittag!

 

Uns hat es aber an nichts gefehlt. Wir hatten ein gutes Leben.

 

In Buchbach bin ich in die Volksschule am Marktplatz gegangen. ... Hauptsächlich kann ich mich erinnern an den Herrn Rabenseifner. Der Herr Rabenseifner war sehr einfühlsam für die einzelnen Kinder, er konnte sehr gut mit Kindern umgehen. Wir Mädchen waren vielleicht nicht so wild wie die Burschen, aber mal nachsitzen mussten wir auch, wenn wir zu laut waren oder geratscht hatten.

 

An was ich mich noch gut erinnere, ist ein Schüler aus Seidlthal, der immer barfuß in die Schule kam. Immer. Es konnte noch so kalt sein, er kam barfuß. – Auch auf  landwirtschaftlichen Anwesen musste zu der Zeit gespart werden, wobei ich glaube, der Bub wollte uns nur zeigen, wie abgehärtet er ist ...

 

Franz Bauer: Die Socken hat man noch selber gestrickt, die Pullover, alles. Das hat die Mutter gemacht.

 

Franziska Bauer: Meine Eltern hatten erst später ein Auto. Ich erinnere mich, dass ich einmal mit Bekannten nach München fahren durfte, als Oktoberfest war. Und ansonsten einmal im Jahr in die Berg’, aber sonst? Für mich war das immer etwas Besonderes.

 

Meine Tante hatte hier die Bäckerei Greimel. Meine Kusine war zwei, drei Jahre älter als ich. Im Café war das jugendliche Leben. Wenn ich zu ihnen durfte, das war für mich auch schön.

Der Buchbacher Badeweiher in den 1930er Jahren, die junge Frau am Ufer ist die Muttter von Franz Bauer

((O-Ton 47'40'' – 48'49''))

Eine Episode fällt mir grad ein, die muss ich erzählen: Damals gab es ja noch den Badeweiher [der heutige Bräuweiher], das war eine öffentliche Badeanstalt. Ich hab mich gefreut, wenn ich mit meiner Kusine dorthin durfte. Buben und Mädchen waren da noch getrennt, ab einem gewissen Alter.

 

Franz Bauer: Es war [auch] zeitlich getrennt. Es gab eine Bubenzeit und eine Mädchenzeit. Das ging stundenweise. Alles reglementiert.

 

Franziska Bauer: Auf alle Fälle war ich – ich war damals ungefähr 13, 14 [Jahre alt] – mit meiner Kusine bei den Buben gelegen. Das war das erste Mal, dass ich mitdurfte zum Baden. Wir lagen auf einem Badetuch. Ich hatte einen Pferdeschwanz. Auf einmal kam der Mai Hans. Der hat mich am Pferdeschwanz hochgezogen: „Was machst denn du hier? Du gehörst nicht hierher.“ Das war natürlich ein bisschen blamabel (lacht). Aber so streng war das damals.

Der Mai Hans war streng und hat darauf geachtet, dass Buben und Mädchen nicht zu früh zusammenkommen.

 

Franz Bauer: Hinten war der Badeweiher, vorne der Waschweiher, der „Bloachweiha“. Der ist heute zugefüllt und ein Parkplatz. Der Badeweiher war getrennt für Kinder, Buben und Mädchen, und für Erwachsene. Die Umkleiden waren Holzwände, oben offen. Auf der eine Seite haben sich Buben umgezogen, auf der anderen die Mädchen.

 

Zu Ihren Mikrofonen, Herr Prockl, fällt mir ein, dass ich noch Aufnahmen habe aus der alten Turnhalle: von Weihnachtsfeiern, von Bällen. Ich hatte damals schon ein transportables Philips-Tonbandgerät. Da gibt es sehr viele Aufnahmen von dem Geschehen da oben.

 

Ich habe auch sehr früh fotografiert, habe mit einer Blackbox angefangen, die ich am Volksfest gewonnen hab’. Als die Kinder gekommen sind, habe ich in den 1960er Jahren mit Super 8-Filmen begonnen. Da habe ich ungefähr 70 bis 80  Kilometer Film, auch von Veranstaltungen, zum Beispiel dem Empfang von Pfarrer [Otto] Steinberger in Ranoldsberg und Buchbach ... Ich komme einfach nicht zum Archivieren, das ist so viel Material, Dias, Fotos, ich versuche es immer wieder, vor allem im Winter, aber ...

 

Das müssen Sie aber unbedingt machen, das geht sonst verloren!

Franziska Bauer: Ja, das denke ich auch. Unsere Kinder oder Enkelkinder haben ja noch keinen Bezug dazu. Das wird wahrscheinlich alles einmal weggeworfen. Man müsste diese Sachen wirklich archivieren.

 

Franz Bauer: Erst neulich habe ich wieder 5000 Fotografien digitalisieren lassen, aber es sind noch immer so viele ... 

Wann haben Sie eigentlich geheiratet und wie sah Buchbach damals aus?

Franziska Bauer: Wir haben 1968 geheiratet. Die Siedlungen gab es damals alle noch nicht.

Franz Bauer: Vom Abbruch des alten Haag-Hauses habe ich eine Zeitrafferaufnahme, über Wochen erstellt (lacht). Als wir geheiratet haben, gab es noch wenig Bautätigkeit.

 

Franziska Bauer: In der Nähe des Sportplatzes, doch, da gab es schon drei Häuser, an der Jahnstraße links rauf, daran kann ich mich erinnern. Die weitere Sportplatzsiedlung kam später, da waren wir schon verheiratet.

 

Franz Bauer: Anfang der [19]60er Jahre ist der Sportplatz erstellt  worden, größtenteils von den Pionieren der Bundeswehr, die erste größere Geschichte. Dabei  ist die Jahnstraße entstanden. Anfang der 70er Jahre sind dann die Ziegler-Siedlung [Buchbach-Süd] und der Ziegelstadel entstanden. Danach kam die Sportplatzsiedlung. Die älteste Siedlung ist die Richter-Siedlung.

 

Gab es in Buchbach eine Wirtschaftswunderzeit?

Franz Bauer: Der Beginn der Uher-Werke war vielleicht einer der größten Booms, das hat schon einiges [für Buchbach und seine Einwohner] bewirkt.

 

Wir haben Luftbildaufnahmen aus den 50er Jahren, da sieht man, wie groß Buchbach damals war.

In der alten Turnhalle begannen die Uher-Werke in den 1960er Jahren ihre Produktion. Wie sah es denn damals dort aus?

Franz Bauer: Unten waren die Umkleiden für die Fußballer. Und am Wochenende waren die Kinoaufführungen darin. Alles hat sich in der Halle abgespielt. Da sieht man noch heute einen Vorbau mit Eisenstützen, da stand der Projektor. Die Filme hat der Herr Taufer mitgebracht, er kam aus Garching an der Alz.

 

Ein historischer Ort in Buchbach ...

Franz Bauer: Jetzt ist er leider sehr verwahrlost.

 

Franziska Bauer: Dabei fällt mir noch etwas ein, zum Vertrieb, zum Bekanntmachen einer Marke. Ich war damals in der zweiten oder dritten Klasse. Da gab es in der Schule Flugblätter für eine Einladung zu einem Vortrag in der Turnhalle: die Firma Maggi sollte dort ihre Maggi-Suppen zeigen. Wir [Schulkinder] durften dann dorthin, zum Vortrag. Im Plastikbecher gab es dann die Maggi-Suppe. Und die war so gut! Und schon hatte [die Firma Maggi], über die Kinder, die ganze Bevölkerung [am Wickel]. Das war die beste Marketingmaßnahme, die sie machen konnten! Und sie durften das damals.

 

Franz Bauer: Ich war damals schon in der Hauptschule. Auch wir sind geschlossen zur Turnhalle hinauf und haben eine Maggi-Suppe probiert.

 

Sie waren in den 1980er Jahren in einem Ortswaisenrat tätig. Können Sie uns etwas darüber berichten?

Franz Bauer: Zu meiner Zeit hatte ich die Frau K., den P., den Z. – das waren schon sehr intensive Aufgaben. Sie waren alleinstehend, einer war behindert, einer war recht böse, so muss man wohl sagen, ein anderer hatte epileptische Anfälle. ... so etwas hatte ich vorher noch nie erlebt. Ich musste schauen, dass die Wohnungen sauber wurden, musste Betreuungen suchen. Das war eine schwierige Aufgabe. Ich glaube, ich habe das zwei Perioden lang gemacht. – Den Ortswaisenrat gibt es heute noch.

 

Für die CSU sitzen Sie im Gemeinderat, Herr Bauer.

Franz Bauer: Dortmals waren die Parteien noch sehr aktiv. Es hat Ortsvorsitzende gegeben, die haben sich wirklich bekämpft, für die SPD, für die CSU, für die FDP, die hat es damals auch noch gegeben. Es waren Jahre dabei, in denen die Parteien bereits vor der Sitzung beschlossen haben, wie sie abstimmen werden. Hirnrissig war das, in so einer kleinen Kommune! Ich habe damals schon gesagt: Für mich spielt die Partei keine Rolle, hier geht es um das Wohl der Bürger, und nicht darum, was die Parteien wollen. Aus diesen Parteilichkeiten habe ich mich immer herausgehalten, das bringt nichts auf kommunaler Ebene.

 

Für Buchbach war der größte Erfolg die Gebietsreform, mit den Eingemeindungen von Ranoldsberg und Teilen von Walkersaich und Felizenzell. Buchbach hätte alleine nicht mehr weiterleben können. Es war eingegrenzt wie eine Burg, keine freie Fläche mehr.

 

Die Bürger des alten Marktes hatten lange einen gewissen – wie sagt man? – Dünkel. Sie fühlten sich als etwas Besseres und haben sich abgekapselt. So ist auch die Bahn nicht [nach Buchbach] gekommen, weil man es nicht wollte. Jetzt kann fast  das Gleiche mit der Autobahn passieren. Erstens lässt sie sich fast nicht vermeiden. Und wenn man zweitens sieht, was im Umfeld von Autobahnen entsteht, an neuen Arbeitsplätzen ... sicher, so eine Autobahn ist eine einschneidende Maßnahme. Aber wenn der Verkehr rollt, ist das besser als jetzt, wo Pkws und Lkws die Luft verpesten, weil sie nur langsam vorwärtskommen oder im Stau stehen oder sich langsam durch die Ortschaften quälen. Wenn man die neuen Bundesländer ansieht, dort ist fast alles [an Infrastruktur] neu, dort kennt man keine Probleme. Aber wir haben sie.

 

Sicher, es müssen nicht überall Autobahnen sein, aber gewisse Wege durch Deutschland braucht man eben doch. Nach meiner Meinung war allerdings der größte Fehler, dass der Transrapid durch Deutschland nicht gekommen ist. Auf einer Strecke von Norden nach Süden und mit ein paar Ost-West-Verbindungen hätte man kaum weitere Maßnahmen gebraucht. – In China geht so etwas ohne Probleme.

 

Wenn wir jetzt noch einmal den Kreis enger fassen und auf Buchbach schauen ...

Franz Bauer: ... dann waren es die gewerblichen Ansiedlungen, die eine große Rolle gespielt haben. Aber es hat lange gedauert, bis man wenigstens einiges an gewerblichen Flächen hat ausweisen können, die Grundbesitzer waren nicht bereit, Grundstücke abzugeben. – Jetzt geht doch einiges, aber wir sind schon bald wieder am Ende. Bei Steeg gibt es noch ein neues Gewerbegebiet, aber viele Flächen haben wir nicht zur Verfügung.

Sie sind Hauptsponsor beim TSV Buchbach. Wie kam es dazu?

Franz Bauer: Das hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Ich war selbst bei vielen Sportarten aktiv, war lange Zeit in den verschiedenen Abteilungen eingebunden. Wir freuen uns über jeden Jugendlichen, der sportlich tätig und in der Gemeinschaft eingebunden ist.

Franziska Bauer: Sponsor beim TSV sind wir schon immer, seit 1968, seit ich in Buchbach bin.

 

Wir waren beide in fast allen Vereinen. Dann hat sich unser  Geschäft immer weiter entwickelt und natürlich auch unser Engagement. Dann kommen die Vereine, jeder braucht irgendetwas, um seine Aufgaben erfüllen zu können.

 

Mit dem Sponsoring beim Fußballsport ist es dann so gegangen: die Mannschaft ist in eine immer höhere Liga aufgestiegen,  damit sind auch die finanziellen Anforderungen immer größer geworden. Heute sind die Firma Kerbl und wir Hauptsponsoren.

 

Der TSV Buchbach ist ein weicher Standortfaktor.

Franz Bauer: Ja, das würde ich schon sagen.

 

Franziska Bauer: Dass wir – oder auch die Firma Kerbl – sponsern, das kommt zuerst dem Sport zugute, aber es ist auch durch die überregionale Präsenz begründet, wir machen das für die Unternehmen, den Ort und für die Menschen hier. In der [TSV-]Vorstandschaft und unter den vielen Funktionären ist ein großer Zusammenhalt da. Ebenso ist es bei den Sponsoren: es sind die Werte im Leben, das, woran man Freude hat und weswegen man sich wohlfühlt; einer ist für den anderen da. Das leben wir in der Firma und im Sport ganz genauso oder noch stärker. Und gerade der Fußballsport ist ja ein Sport, bei dem man sich auch in Demut üben muss. Schon allein bei der Erziehung der Kinder ist das ein super Gemeinschaftssport.

 

Wir müssen schauen, dass wir Spieler bekommen. Wir haben nicht das große Geld, dass wir Spieler kaufen oder die Spieler entsprechend bezahlen, wir sind Amateur. Wenn nun Spieler nach Buchbach kommen, die in der Profi-Fußballkarriere dann doch nicht so weit kamen, die können sich hier entwickeln, hier ist eine Gemeinschaft. Und wenn sie keinen Beruf haben, sorgen wir dafür, dass die irgendwo einen Beruf finden – ob das in einer Versicherung ist wie neulich, oder bei uns, oder beim Kerbl. Als Auszubildender finden sie hier einen Platz. Nach der Arbeit geht’s dann zum Fußball. Die meisten unter denen, die bei uns eine [solche] Lehre gemacht haben, die blieben dann auch bei uns.

 

Die Spieler wohnen in der Umgebung, einige wohnen in München. Für sie hat der TSV einen Bus organisiert, weil es mehrere sind. Er fährt sie dann runter zum Training.

 

Franz Bauer: Fußball war Anfang der [19]60er Jahre der einzige Sport [beim TSV], dann kam eine Skiabteilung dazu, dann Turnen unter Frau [Erna] und Herrn Dr. [Joachim] Zarmer, Basketball, Tischtennis, Tennis. Auch das Wandern unter der Leitung von Josef Nützel dürfen wir nicht vergessen, er hat Tausende zum Wandern in der Heimat bewegt ... Es ist ein umfangreiches Angebot, das macht dem Fußball bei den Kindern schon ein wenig Konkurrenz. Das Angebot am Ort ist wirklich sehr gut.

 

Franziska Bauer: Wir waren dabei, als die Tennisabteillung gegründet wurde ...

 

Franz Bauer: Wir haben lange Jahre aktiv Tischtennis gespielt, damit kamen wir bis weit über den Landkreis hinaus. Dann ist es mit Tennis weiter gegangen ...

 

Stockschützen?

Franz Bauer: Ja, genau. Das war die Firma Rinberger, die selbst die Stöcke gefertigt hat, erst in Holz mit Eisenring und später in Kunststoff. Auch da war ich einige Jahre aktiv. Das ist ein schöner Sport.

 

Franziska Bauer: Wir waren dabei als die [Buchbacher Faschingsgesellschaft] Bubaria gegründet wurde ... Auch im Fasching waren wir aktiv, zweimal waren wir das Prinzenpaar.

Das Buchbacher Faschingsprinzenpaar Franz und Franziska

Ja, erzählen Sie uns etwas über den Buchbacher Fasching und die Bubaria.

((O-Ton 1h18'26'' – 1h20'20''))

Franziska Bauer: Die Familie Zarmer hat die Bubaria aus der Taufe gehoben, wir waren damals schon dabei. 1977 und 1978 waren wir Prinzenpaar. Das kam so: 1977 war es ein langer Fasching, mit Narrenabenden und vieles [andere]. 1978 war dann der Fasching sehr kurz und man fand kein Prinzenpaar. So wurden wir noch einmal gefragt. Auch das war ein Beitrag für die Außendarstellung von Buchbach. Buchbachs Ruf als Faschingshochburg begann damals, die Bubaria war eine sehr bekannte Faschingsgesellschaft: ob es die Prinzengarde war, die Prinzenpaare, die Kleider wurden immer schöner, gleiche Kleidung für die Garde, thematische Faschingsveranstaltungen ...

 

Franz Bauer: Der größte Auftritt war in der [Münchner] Olympiahalle.

Neben den Bällen dürfen wir natürlich die anderen Veranstaltungen nicht vergessen. Den Faschingsdienstag und insbesondere die Narrenabende. Max Wallner als Regisseur und die mehr als professionellen Auftritte von Anton und Alfred Greimel, Hans Fischbacher, Xaver Huber, Anton Rampl, Kurt Schimansky, Maria Altmann und viele andere mehr, sie haben Buchbacher Geschichte geschrieben und waren Anziehungspunkt weit über die Landesgrenzen hinaus.

 

Franziska Bauer: Ja, in der Olympiahalle durften wir auftreten.

 

Frau Bauer, Sie haben sich sehr für eine Musikschule in Buchbach eingesetzt.

Franziska Bauer: Die Familie Thalmeier und wir – wir sind ja befreundet – wollten, dass unsere Kinder Musikinstrumente lernen. Da gab es Angebote in Mühldorf und in Dorfen, da hätte man sie hinfahren müssen. Wir haben daher 1976/77 zuerst mit [Ercole] Caputo, einem Buchbacher Musiklehrer, gesprochen. – Er ist immer noch Musiklehrer, jetzt in Burghausen, vorher in Mühldorf. Er kam aus Kassel. Damals hatte er auch eine super Tanzband! Er kannte viele  Musiklehrer. Das waren gute Voraussetzungen und wir  haben einen Förderkreis gegründet für die Volksschule Buchbach, jetzt heißt es Musikschule e.V. Wir haben für den entsprechenden Platz gesorgt, für Spenden, um Musikinstrumente anschaffen zu können.

 

Und die Musikschule hat sich ganz positiv entwickelt. Darauf bin sich sehr stolz. Sie ist überregional, nicht nur aus Buchbach kommen Schüler hierher, um Musik bei uns zu lernen.

Erfolg mit der Musikschule

Herr Bauer, Sie haben ja schon lange eine umfangreiche Sammlung elektrischer Geräte, persönliche Erinnerungsstücke aus der eigenen Firmengeschichte und Sie planen seit längerem ein Museum. Was genau haben Sie vor?

((O-Ton 1h21'43'' – 1h23'21''))

Franz Bauer: Das Wichtigste ist, dass die Sammlung erhalten bleibt. Ich habe immer wieder ergänzt, wenn sich die Möglichkeit ergab. – Begonnen hat alles mit den Dokumenten. Sehr früh schon habe ich alte Baupläne, wichtige Verträge und andere Dokumente aus den Aktenschränken im Speicher zur Seite gelegt, vor der Vernichtung bewahrt. Das war noch im alten Haus, da gab es nicht so viele Möglichkeiten. Als wir dann hier 1984 gebaut haben, habe ich die Sammlung aus dem alten Haus hierher [in den Betriebsneubau] gebracht. Wir sind damit zwei-, dreimal [im Haus} umgezogen, weil immer wieder der Platz [für die Sammlung] zu klein war oder anderweitig benötigt wurde. Bis wir dann das Nebengebäude gebaut haben, in das kamen mehr oder weniger nur Regale hinein, und dort wurde dann vieles archiviert.

 

Das Wichtigste ist, dass alle diese Dinge erhalten bleiben, auch für die Nachwelt. Es ist zwar nur eine relativ kleine Sammlung, aber mit Bezug zu Buchbach. Ich weiß noch nicht, wer es weitermacht, ...

... ob sich da jemand findet.

Franziska Bauer: Vielleicht wollen es unsere Enkel einmal weiterführen. Wir haben acht Enkel, die älteste ist 17, die jüngste zwei.

 

Franz Bauer: Aber es gehört eine gewisse Liebe dazu.

 

Einiges wurde neu gemacht, umdisponiert. Der Gedanke ist, es so zu gestalten, dass man es der Öffentlichkeit, hauptsächlich den Schulen publik machen kann, einen Flyer dazu mit entsprechender Beschreibung. Wir haben hier im Landkreis im Herbst 2018 die Geschichtstage [mit dem Schwerpunkt „Elektrizität im Landkreis“]. Bis dahin wollen wir alles einigermaßen auf Vordermann gebracht haben.

 

Das Unternehmen Bauer ist heute deutschlandweit vertreten. Aber der Hauptsitz blieb immer in Buchbach. Sie sind offensichtlich sehr ortsverbunden. Was bedeutet Heimat für Sie?

Franziska Bauer: Da kann ich Ihnen ein Beispiel nennen. Als sich der Osten, die DDR, geöffnet hatte, gingen wir sofort rüber. Das war in Halle. Wir haben dort gebaut, einen Betrieb hochgezogen. Und sind gependelt. – Für mich war es immer besonders schön, wenn ich nach zwei Tagen in Halle nach Buchbach zurückkam, wenn ich die Kirchenglocken gehört und unsere Landschaft wiedergesehen habe und wenn dann die Blasmusik gespielt hat.

 

Heute spielen sie ja nicht mehr so oft. Aber damals, wenn ich am Freitag wieder hier war, hat auf irgendeinem Geburtstag die Blasmusik gespielt. Am Samstag hat dann jemand geheiratet und wieder hat die Blasmusik gespielt. Am Sonntag war dann der Kirchenzug mit Blaskapelle. Ich mag ja Blasmusik so gern.–  So etwas zu schätzen, das lernt man, wenn man mal anderswo ist. Beim Zurückkommen aus Halle hab mir gedacht: Das ist doch das Allerschönste, hier zu wohnen!

 

Es ist auch schön, am Marktplatz direkt zu wohnen. Immer, wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man das Leben. Schade ist nur, dass doch verschiedene Geschäfte haben zumachen müssen.

Die Ortsverbundenheit zur Heimat, damit sind wir ja aufgewachsen. Wir sind immer bodenständig geblieben, auch die Führung im Unternehmen ist so. Und wenn man gut wirtschaftet, dann kann man sich für die Allgemeinheit einsetzen. Ob man das mit persönlichem Einsatz macht oder finanziell, das ist egal. Wichtig ist, dass man mithilft, ob das der Sportverein ist oder der Kulturverein.

 

So etwas liegt uns beiden halt. So. Mit zunehmendem Alter haben wir das vielleicht noch ausgeprägter gemacht, da tut man sich leichter, das schon. Das machen wir beide, und mit vollem Herzen!

((O-Ton 1h32'09'' – 1h32'57''))

Franz Bauer: Wenn man unterwegs ist, ist es Einstellungssache. Wenn man zuhause ist, ist es eine Gefühlssache. Ich war sehr viele Jahre unterwegs, ob in Polen, in Breslau, in Dubai, in Halle oder Hamburg. Ich fühle mich überall fast zuhause. Nur: hier bin ich dahoam! Es ist die gewohnte Umgebung, es sind die gewohnten Leute, mit einem  gemeinsamen Hintergrund über Jahrzehnte hinweg, und es ist die liebenswerte Umgebung – voller Erinnerungen

(v.l.n.r.) Hans Prockl, Marieberthe Hoffmann-Falk, Franziska Bauern, Franz Bauer

Die Fragen stellten Marieberthe Hoffmann-Falk für den Heimat- und Kulturverein Buchbach und der Dokumentarfilmer Hans Prockl.

 
Die Fotoerlaubnis zur Reproduktion von Fotografien und zur Aufnahme diverser Gegenstände im privaten Besitz wurde uns freundlicherweise durch das Ehepaar Bauer gestattet.
 

Technik:
Mikrofonie: AKG C451C Richtrohr CK8, Sennheiser MKH 416
Rekorder: Tascam DR100-MKII PCM; 16 bit; wav

 

Die Gesamtlänge des O-Tons beträgt 1h 32'57''.